Anzeige

Was macht eigentlich... ...Théodore Malgorn?

Der Mann auf dem weltberühmten Foto: ein Leuchtturmwärter, der während eines Wintersturms in der Bretagne auf den Balkon tritt und die nahende Riesenwelle nicht sieht.

Herr Malgorn, leben Sie noch "mit dem Hintern im Wasser", wie die Wärter von Leuchttürmen im Meer so sagen?

Nein. Ich arbeite jetzt seit sechs Jahren im Leuchtturm Créac’h auf der Île d'Ouessant. Zum ersten Mal an Land.

Wieso?

Die Leuchttürme werden nach und nach automatisiert. Auch "La Jument" ist seit 1991 nicht mehr bewohnt.

"La Jument" ist der Leuchtturm, von dem am 21. Dezember 1989 das legendäre Foto entstand. Spricht man Sie noch darauf an?

Ja, öfter. Das Foto hängt schließlich in Wohnungen, Büros, Pubs - es scheint zu gefallen. Mir wäre es lieber, das Gerede würde langsam aufhören - das ist schon so lange her.

Zur Sache

Die Geschichte des Leuchtturms von "La Jument" geht auf das Jahr 1878 zurück. Damals zerschellte ein gewisser Monsieur Potron mit seinem Frachter beinah an den felsigen Klippen, die der Île d'Ouessant vorgelagert sind. Der Mann verfügte daraufhin in seinem Testament, dass für 400.000 Franc aus seiner Erbschaft auf der Klippe ein Leuchtturm errichtet werden soll. Nach sieben Jahren Bauzeit stand 1911 das fast 48 Meter hohe, achteckige Gebäude. Das seither allen Stürmen trotzt ...

Manche glaubten damals, die riesige Welle hätte Sie sicher mitgerissen und ertränkt.

Nun, viel fehlte nicht. Hätte ich ein wenig weiter von der Tür weg gestanden, hätte ich es nicht mehr in den Turm zurückgeschafft. Und ich wäre heute tot. Mit dem Meer darf man nicht spielen.

Das sagen ausgerechnet Sie.

Natürlich hätte ich damals nicht hinausgehen dürfen, auch nicht für die paar Sekunden. Aber so was erkennt man ja immer erst später.

Wieso gingen Sie denn überhaupt raus?

Ich hörte Helikoptergeräusche und wollte sehen, was los ist. Obwohl ich wusste, dass ein Sturm von etwa zehn Beaufort tobte, was selbst für den besonders stürmischen Winter 89 mit ungewöhnlich hohen Wellen außergewöhnlich stark war.

Was können solche Wellen anrichten?

Sie haben "La Jument" zum Wackeln gebracht, Fenster zerstört, mehrmals die Balustrade verbogen und einmal sogar die Eingangstüre herausgerissen. Ich hab an dem Tag einfach nicht an die Gefahr gedacht.

Hatten Sie im Nachhinein Angst?

Nein. Auf meinem Fischerboot hatte ich schon mehr Angst - bei Schlechtwetter auf dem Mer d'Iroise vor der bretonischen Küste. Dort ist die See sehr gefährlich.

Hat der Fotograf Jean Guichard Ihnen je eine Provision gezahlt? Ohne Sie wäre die Aufnahme nicht halb so spannend geworden.

Nicht viel, aber ich bin damit zufrieden. Obendrein hat er mir Bücher von sich geschenkt und einen Abzug des Fotos, 80 mal 60 Zentimeter. Ich hätte es aber lieber 120 mal 90 Zentimeter groß. Er versprach mir, eines zu bringen - ich warte noch immer.

Sie sind gelernter Automechaniker. Was hat Sie dann auf einen Leuchtturm verschlagen?

Ich bin auf der Île d'Ouessant zu Hause, wollte nicht weg. Als Kollegen über diesen Beruf sprachen, dachte ich, das wäre was.

Wie muss man sich so die Arbeit auf einem Leuchtturm mitten im Meer vorstellen?

Wir hatten zwei Wochen rund um die Uhr Dienst, dann eine Woche frei an Land.

Und was macht man so den ganzen Tag?

Vor allem Handwerkliches. Ein Leuchtturmwärter ist Mechaniker, Elektriker, Maler und Maurer in einer Person. Zudem gab es Büroarbeit, zum Glück wenig.

Und in der Freizeit?

Na ja, viel kann man ja nicht machen. Lesen, fernsehen, basteln. Und fischen.

Nichts mit abends ausgehen und nach einer Frau suchen.

Mich interessierte damals das klassische Leben mit Familie nicht so. Ich wollte lieber tun, was ich wollte. Zudem mag ich die Einsamkeit sehr.

Möchten Sie nicht jetzt, da Sie wieder an Land arbeiten, eine Familie gründen?

Das könnte ich mir vorstellen. Aber man muss gut wählen.

Nicht einfach für einen 48-Jährigen auf einer Insel mit 951 Bewohnern.

Genau.

Interview: Roland Bingisser

print

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel